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GREGOR SCHRÖDER

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Literatur & Interpretation

Analyse von Sachtexten & Kommentaren · Teil 2

III. Wirtschaft/Ethik/Gesellschaft

16. Alexandra Borchardt: Wirtschaft braucht Werte (2010) PDF

17. Michael Geyer: Deutschland in der Globalisierungsfalle (2008) PDF

18. Ulli Kulke: Warum die Globalisierung den armen Ländern nutzt (2012) PDF

19. Nadja Pantel: Lebensmittel ohne Schweinefleisch – Hauptsache halal (2014) PDF

20. Petra Pinzler: Noch mehr ist nicht genug (2011) PDF

21. Wolfgang Wiedlich: Wer das Gras wachsen hört (2007) PDF


16. Alexandra Borchardt:

Wirtschaft braucht Werte (2010)

Aufgabe: Analyse des Kommentars und Erörterung der Position der Autorin (AHR)

Schüler/-in

1.1. benennt äußere Publikationsdaten.

Der Text von A. Borchardt „Wirtschaft braucht Werte“ (SZ vom 3.4. 2010) befasst sich kritisch mit Notwendigkeit von Werten wie soziale und moralische Verantwortung in Unternehmen und Wirtschaft. Wirtschaftlicher Erfolg hänge entscheidend vom sozialkompetenten Führungsteam ab. Der Text ist ein Kommentar, da Frau Borchardt in einer Tageszeitung schreibt und sehr engagiert Stellung zum Thema nimmt, um zur Meinungsbildung des Lesers beizutragen.

1.2. Thematik des Textes in Bezug zum aktuellen öffentlichen Diskurs, z.B.:

Die Frage nach Werten in weiterhin männlich dominierten Führungsetagen der Wirtschaft ist auch heute noch aktueller denn je. Immer wieder erfährt man aus den Medien von Firmenpleiten infolge fragwürdiger Unternehmensentscheidungen, völlig überhöhten Managergehältern gerade solcher Firmen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der 3.Welt bei der Herstellung von (besonders von Textil-)Produkten, die auch deutsche Firmen verkaufen.

1.3. Benennung der Sinnabschnitte und gedanklicher Aufbau des Textes, z.B.:

1. Bisherige Bevorzugung von harten Unternehmenszielen (Gewinnmaximierung etc.) gegenüber weichen (z.B. Frauenquote). Dies sei falsch, da weiche Faktoren (Frauenquote, Verantwortung und Moral) Zukunft von Unternehmen sichere und die besten Mitarbeiter anlockten. (Z.1-11)

2. Befürwortung weicher Faktoren von Chefs seien meist nur Lippenbekenntnisse, aber wie Budget fest einzuplanen. B. fordert die Verordnung von Fortschritt wie z.B. die Frauenquote bei Dt. Telekom. Eine buntere Chefetage werde nur ganz selten verwirklicht. (Z.12-28)

3. Entscheider suchten das Vertraute, wobei Karriere Führungsqualitäten nicht fördere. Diese bestünden weniger in Fachkompetenz, sondern in sozialer und kommunikativer Kompetenz, was nachweislich zu größeren Unternehmenserfolgen führe.

Fazit: Chefs sollten Werte der Firma vorleben, was jedoch Einsicht in diesbezügliche Lernfähigkeit voraussetze. (Z.29-47)

1.4. Darstellung der Kernaussagen und Untersuchung der Argumentationsstruktur, z.B.:

Ihre Hauptthese („Wer sich in der Welt von morgen behaupten wolle, brauche Werte“, Z.11) stützt sie mit folgenden meist Plausibilitäts-, moralischen, analogisierenden, normativen, Erfahrungs- und Faktenargumenten:

1. Einleitend stellt B. fest, dass Unternehmensvorhaben über höhere Gewinne, Investitionen und Absatzzahlen als normal empfunden würden, nicht aber, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Angeblich diskriminiere dies Männer und habe nichts mit Unternehmenszielen zu tun. (Z.1-6) EA, MA, PA, aA     

2. Sie unterstellt diesen Kritikern, dass sie irrten, da „weiche Faktoren“ (Z.7) wie Frauenquote, soziale Verantwortung und moralisch „saubere Geschäfte“ (Z.8) nicht nur im Kant’schen Sinne erforderlich seien, sondern die Zukunft von Unternehmen sicherten. Denn die besten Mitarbeiter gingen laut B. zu jenen Firmen, die neben hohem Gehalt und Aufstiegschancen auch Werte böten. (Z.7-11) MA, PA, EA, aA

3. Sie wirft vielen Chefs vor, dass sie das mangels schnell messbarer Erfolge noch nicht begriffen hätten. Deshalb bleibe es bei Lippenbekenntnissen für Gleichberechtigung, Umweltschutz, Korruption und Kinderarbeit. Am Beispiel von Marathonläufern zeigt B. auf, dass man feste Ziele und einen Plan brauche. Ebenso reiche es nicht, in Korruptionsfällen u.a. bei Siemens, Mitarbeitern den Verzicht auf Schmiergeld nahezulegen und Frauenquoten sowie soziale Standards zu befürworten. Solche Werte müssten wie ein Budget fest eingeplant werden. (Z.12-20) MA, PA, aA

4. B. fordert mit Hinweis auf mangelnden Frauenanteil in Chefetagen die Verordnung von „Fortschritt“ (Z.21), wie es die Deutsche Telekom mit einer Frauenquote versucht habe, da dies einen Mangel an komplexer Qualifizierung von Führungskräften offenbare. Selten werde eine buntere Chefetage (mehr Frauen, Kulturen, Migranten) gefordert und noch seltener umgesetzt. (Z.21-28) MA, PA, aA

5. Solche Vielfalt werde oft von Entscheidern als überflüssig oder problematisch angesehen. Laut B. suchten sie das Vertraute. Sich für das Fremde zu entscheiden, zeige dagegen Größe. Karrieremachen erfordere zudem oft andere Fähigkeiten als das Führen, für das sie dann ungeeignet seien. Oder Mitarbeiter in Leitungsfunktionen hätten hohe Fachkenntnisse, aber zu wenig Sozialkompetenz, was aber in Spitzenjobs unerlässlich sei. Ein Chef müsse „die besten Forscher und Finanzleute finden (Z.39) und kommunikativ kompetent sein. (Z.29-39) MA,PA,aA

6. Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens hängt laut B. vom Führungsteam ab, Mehr Vielfalt führe zu mehr Kreativität bei der Arbeit. Laut von ihr zitierter Mc-Kinsey-Studie seien von Frauen und Männern geführte Unternehmen erfolgreicher.

Fazit: Chefs sollten als Vorbilder die Werte der Firma verkörpern. Hierzu sei Talent und Lernfähigkeit sowie die Einsicht in dessen Notwendigkeit erforderlich (Z.40-47) FA,MA,PA,aA

2.1. Relevanz der Position der Verfasserin für öffentlichen Diskurs, z.B.:

Auch wenn es inzwischen ab 2016 eine verpflichtende Frauenquote von 30% in Aufsichtsräten von 100 deutschen Dax-Unternehmen geben soll, ist die Position der Autorin auch heute noch von großer Bedeutung für erfolgreiche Unternehmensführung. Eine Vielfalt an Temperamenten, Ideen und Menschen bezüglich Herkunft und Geschlecht bietet meist gute Voraussetzungen für wirtschaftlich langfristig erfolgreiche Unternehmensentscheidungen.

2.2. Untersuchung der Stichhaltigkeit der Argumentation der Autorin, z.B.:

Die Autorin hat Recht mit ihrer Behauptung, dass Unternehmensvorhaben über höhere Gewinne, Investitionen und Absatzzahlen weitgehend die öffentliche Wahrnehmung im Bereich der Wirtschaft dominieren und weiche Faktoren eher als Randthemen angesehen werden, die nichts mit dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen zu tun hätten. Das trifft auch auf ihre Feststellung zu, dass Entscheider bei der Auswahl von Führungs-kräften oft das Vertraute suchten oder Personen, die die eigene Position nicht gefährdeten, und daher wenig innovationsbereit seien. Das Beispiel aus dem Sport vom Marathonlauf hinkt jedoch meines Erachtens, da dies kein Mannschaftssport ist und hier nur die individuelle Leistung zählt. Zudem wird zwar ein fester Plan aufgestellt, der aber nicht innovativ ist, sondern auf dem Vertrauten beruht. Richtig ist auch, dass die Sozialkompetenz eines Chefs sehr wichtig ist, aber ohne sehr gute Fachkenntnisse wird er vielleicht nicht entscheiden können, welche Berater und Mitarbeiter für die Firma wichtig sind. Auch seine Autorität wird sicher an seiner Fachkompetenz gemessen.  

2.3. Auseinandersetzung mit Position der Autorin, z. B.:

Die Klage der Autorin über die Missachtung weicher Faktoren ist sicher berechtigt. Jedoch sind börsennotierte Unternehmen auf tägliche gute Nachrichten über ihr Unternehmen bezüglich Gewinnerwartung, Absatzzahlen etc. angewiesen, da sonst der Aktienkurs nach unten geht. Da Anleger und Kreditgeber nun mal über Wohl und Wehe eines Unternehmens entscheiden, ist die von ihr beklagte Unterbewertung der weichen Faktoren nur zu verständlich. Natürlich hat sie Recht, dass auch frauenfeindliche Motive hier eine Rolle spielen. Frauenquote, soziale Verantwortung und moralisch „saubere Geschäfte“ (Z.8) sind insofern wichtig, da sie das Firmenimage prägen. Besonders bei Korruption, kriminellen Geschäftspraktiken etc. reagieren Verbraucher sehr allergisch und können sich anderen Firmen, Banken etc. zuwenden. Dass jedoch die besten Mitarbeiter zu jenen Firmen, die neben hohem Gehalt und Aufstiegschancen auch Werte böten, ist mehr Wunsch als Wirklichkeit. Natürlich möchte niemand in einer moralisch anrüchigen Firma arbeiten, aber da unternehmerisches Fehlverhalten, Bestechungsgelder in der 3.Welt und Steuerhinterziehung immer noch als Kavaliersdelikte zählen und weit verbreitet sind, wird dies meistens von den Mitarbeitern in Kauf genommen, so lange das Betriebsklima einigermaßen stimmt. Zu Recht fordert Frau B. eine feste Frauenquote in Unternehmen, die inzwischen ab 2016 gilt.

Das Vertraute zu suchen, kann ein Nachteil sein, aber auch z.B. Kontinuität im Unternehmen sicherstellen. Ebenso kann eine buntere Chefetage, muss aber kein Gewinn sein. Individuelle Kreativität und Flexibilität sind meines Erachtens wichtiger als Geschlecht und Migrationshintergrund. Leider erfordert das Erklimmen der Karriereleiter mehr Ellenbogen als Sozialkompetenz, aber sicher auch Fachkompetenz. Ein Chef braucht einfach Fachkompetenz, um die fachlich besten Leute um sich scharen zu können. Unstreitig sind von Frauen und Männern geführte Unternehmen langfristig erfolgreicher, da sie ihr Unternehmen weniger riskant leiten. Es braucht aber auch den risikobereiten Jungunternehmer, der (wie Marc Zuckerberg) ein Unternehmen in atemberaubenden Tempo an die Weltspitze bringen kann.

2.4. eigener, weiterführender Standpunkt, z.B.:

Frau B. thematisiert hier ein sehr wichtiges Thema, das für Unternehmen in Zukunft sicher immer größere Bedeutung erhalten wird. Auch Image und Ruf eines Unternehmens sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass ihre Produkte von den Konsumenten gekauft werden. Es gibt viele Beispiele dafür, dass Firmen wegen moralisch verwerflichen Geschäftsgebarens (z.B. Kinderarbeit, unmenschliche Arbeitsbedingungen etc. in der 3. Welt) von internationalen NGOs kritisiert und mit Boykottaufrufen konfrontiert werden. Ein schlechtes Image führt meistens dann zu einem Umsatzrückgang. Angesichts des großen internationalen Konkurrenz- und Kostendrucks vieler Großunternehmen ist es jedoch sehr schwierig, alle moralischen Standards einzuhalten (auch Mindestlöhne) und trotzdem gegen die Konkurrenz bezüglich Qualität und Preis zu bestehen. Leider findet der Verbraucher zwar alle diese weichen Faktoren eines Unternehmens sehr lobenswert, entscheidet sich dann aber beim Kauf meist doch für das preiswertere Produkt. Da viele ausländische Unternehmen z.B. in manchen asiatischen Ländern nur mit Bestechung oder anderen Tricks in großem Stile produzieren können, ist es für andere sehr schwer, ohne diese unmoralischen Geschäftspraktiken auszukommen.

Hinzu kommen die jüngst bekannt gewordenen Steuertricks in Luxemburg, wo Großunternehmen nur ca. 1% Unternehmenssteuer bezahlt haben. Diese haben dann einen konkurrenzlosen Kostenvorteil, gegen den die moralisch „sauberen“ Unternehmen nicht bestehen können. Notwendig wäre eine internationale Ächtung solcher Praktiken zumindest auf EU-Ebene sowie der WTO und internationale Mindeststandards bei Löhnen, Arbeitsbedingungen, Umweltstandards etc., die auch überwacht und zumindest weitgehend eingehalten werden.

Das Problem der sozialen Qualifikation von Führungskräften ist sicherlich nur schwer zu verändern, da Erfolg einer Führungskraft nun mal am schnellen wirtschaftlichen Erfolg gemessen wird, genauso wie in der Politik. Langfristige Erfolge werden leider im Leben nur selten honoriert, zumal die meisten Menschen genauso kurzfristig orientiert sind in ihrer Lebensplanung.

Natürlich sollte es eine viel bessere Schulung von Chefs in Punkto Kommunikation und Sozialkompetenz geben. Hier gäbe es bei Managerseminaren sicher noch viel zu verbessern. Da aber der Kostendruck in allen Bereichen (auch in der öffentlichen Verwaltung) meist dazu führt, dass mit möglichst wenig Personal gearbeitet wird, das möglichst effizient arbeiten soll, werden Mitarbeiter leider meist zuerst als Kostenfaktor und dann als Menschen mit ihren Bedürfnissen gesehen. Ein gutes Betriebsklima wünschen sich sicher alle - vom einfachen Mitarbeiter bis zum Chef.

Die Anforderungen an den einzelnen steigen aber ständig, so dass die nicht so effizient arbeitenden Mitarbeiter sehr schnell spüren, dass sie unbeliebt sind und z.B. ihr Arbeitsplatz in einem Betrieb gefährdet ist. Es wäre schön, wenn der Ruf einer Firma und das Vorbild eines Chefs die besten Mitarbeiter anzögen und sich dies auch im wirtschaftlichen Erfolg niederschlüge. Leider ist die Realität oft eine andere. Eine bunte Chefetage ist sicher wünschenswert, aber keineswegs ein Garant für erfolgreiches Management. Oft wird dies aus reinen Imagegründen (Quotenfrau, ethnische Vielfalt etc.) angestrebt. Grundsätze der sozialkompetenten Unternehmensführung beziehen sich aber auf menschliche Fähigkeiten - unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion etc. Diese Gesichtspunkte können sicherlich bei global operierenden Firmen hilfreich sein (Kenntnis der örtlichen Mentalitäten, Sprache etc.). Trotzdem sind solche Chefetagen nicht automatisch immun gegen Fehlentscheidungen.


17. Michael Geyer:

Deutschland in der Globalisierungsfalle (2008)

1. Überblicksinformation (FHR)

Der Kommentar von M. Geyer „Deutschland in der Globalisierungsfalle“ (KSTA vom 11.01.2008) befasst sich historisch-kritisch mit dem alle Lebensbereiche umgestaltenden Globalisierungsprozess, den es schon immer gegeben habe, der aber seit 150 Jahren dramatisch beschleunigt in 2 Phasen verlaufe.

Immer gebe es dabei auch in Deutschland Gewinner und Verlierer. Die deutsche Nation sei zweimal in einer laufenden Globalisierungshochphase gegründet worden, dessen Ablehnung beim 1. Mal in eine Katastrophe geführt habe. Der Globalisierungsfalle werde die BRD durch selbstbewusste Annahme des deutschen Zwiespalts zwischen Nationalität und Weltoffenheit sowie Durchsetzung notwendiger Veränderungsprozesse zur Wohlstandswahrung entgehen.

2.1. Argumentationsansatz

Seine Hauptthese: BRD wird Globalisierung durch selbstbewusste Annahme seiner Besonderheit und Geschichte und Reformen zur Wohlstandswahrung erfolgreich bewältigen stützt er mit folgenden Argumenten:

1. „Deutschland in der „Globalisierungsfalle“ klinge in den Medien nach Super-Gau, Naturkatastrophe oder kriminell-globalem „Rotlichtmilieu“ (Z.4). (Z.1-4) PA

2. Gegenstimmen bei uns appellierten an „deutsche Schaffenskraft“ und Zweckoptimismus, wobei man in USA und GB früher viel mehr – inzwischen aber auch verhaltener – auf risikoreiche Spekulationsgeschäfte vertraue. (Z.5-8) PA, AA

3. Globalisierung sei weltweite „Ausweitung, Intensivierung und Beschleunigung“ (Z.10f.) von wirtschaftlich-sozialen und kulturell-religiösen „Beziehungsnetzwerken“ (Z.10f.). (Z.9-12) FA

4. Dieser Prozess vollziehe sich auf allen Ebenen auch unbewusst: In der Wirtschaft z.B. durch den Kauf fernöstlicher Billigprodukte, die Nutzung ausländischer Niedriglöhne und Intelligenz, in der Familie etwa durch Heirat und Arbeit im Ausland. (Z.13-16) FA

5. Globalisierung habe es laut Historikern immer schon gegeben. Aber dieser Prozess habe sich seit 150 Jahren durch Finanzspekulationen dramatisch beschleunigt. Der Anstoß dazu hätten nach 1850 zunächst die europäischen Kolonialmächte und dann 100 Jahre später die rasante Industrialisierung Asiens und die Rendite im Nahen und Mittleren Osten gegeben. (Z.17-22) AA,PA

6. Global und lokal hätten Armut und Reichtum nahe beieinander gelegen. Landwirtschaft und Handwerk seien zunächst infolge des Preisverfalls die Verlierer gewesen, was eine aggressive rechtspopulistisch-antisemitische Stimmung erzeugte. Städtewachstum und erfolgreiche Industrialisierung hätten Deutschland erheblich verändert, aber auch seinen Reichtum stark vermehrt. (Z.23-27) FA, aA

7. Beim derzeitigen 2. Globalisierungsschub sei dies ähnlich. Selbst Industriebereiche mit geringem Lohnkostenanteil wanderten ab. Das soziale Netz werde durchlässiger, Arbeitskraft und Dienstleistungen würden stärker eingekauft. (Z.28-30) FA, aA

8. Auch jetzt gebe es bei diesem Prozess zugleich Gewinner und Verlierer, Zuversicht und Angst. Unter Globalisierungsfalle werde allgemein der notwendige Veränderungsprozess Deutschlands zur Wohlstandswahrung verstanden. (Z.31-33) FA, aA

9. Das Interesse am Ausgang des laufenden Prozesses sei groß, aber man könne nur wissenschaftliche Aussagen über die Vergangenheit treffen. Sie sei zwar keine gute Lehrmeisterin der Zukunft, fördere jedoch das Nachdenken. Auffällig sei, dass die dt. Nation 1870 und 1990 mitten im jeweiligen Globalisierungsprozess gegründet worden sei und Deutschland lange nicht seine globale Abhängigkeit begriffen habe. Der höchst fatale Umgang mit dieser Erfahrung in der 1. Phase sei bekannt und werde dank der Medien immer noch in Erinnerung gerufen. (Z.34-40) FA, aA

10. „Eine 2. Flucht aus der Globalisierungsfalle“ (Z.41f.) wäre so fatal wie die erste. Der „Zwiespalt von Globalität und Nationalität“ (Z.43) sei typisch für Deutschland, das Reichtum, Wissen und Kultur der Erweiterung seines Horizonts und Intensivierung globaler Beziehungen verdanke, aber höchst „empfindlich auf die dadurch entstehenden Abhängigkeiten und Entgrenzungen“ (Z.45f.) reagiere. (Z.41-46) FA, PA

11. Wir bräuchten Bilder und Geschichten für diesen Zwiespalt und Selbstvertrauen zu dessen Bewältigung durch „gute Politik und öffentliche Diskussion“ (Z.48). Auch die Berliner Republik entwickle sich anders als von den Gründungsvätern gedacht. „In Erinnerung an die katastrophalen Folgen der Globalisierungsverweigerung gegründet“ werde sie sich in einer globalen Welt behaupten. (Z.47-51) Schlussfolgerung + Hauptthese

2.2. Sprachliche Aspekte

Geyer unterstützt seine Argumente nicht durch statistische Angaben, aber mit historischen Fakten und vielen Aufzählungen (Z.3f., 6-12, 19-21, 23ff., 28ff., 36f., 43ff., 47ff.) Durch Alliterationen (Z.9, 11, 16, 25, 31, 38, 42), 2 Ellipsen (Z.1, 23), eine Anapher (Z.13f.), sehr viele griffige, einprägsame, sprachliche Bilder, die z.T. auch Personifikationen sind („Globalisierungsfalle“, Z.1; „deutsche Zeitungen und Büchertitel ... durchschaut“, Z.1f.; „Gegenstimmung setzt auf die unverwüstliche deutsche Schaffenskraft“, Z.5; „Einsicht durchgesetzt“, Z.9; „maledivische Sonne kaufen“, Z.13f.; „Verzahnung der Welt“ etc.), Neologismen („Beziehungsnetzwerken“, Z.11; „Entgrenzungen“, Z.46), bildhafte, drastische Vergleiche (Z.1-4) und eine fiktive wörtliche Rede (Z.5) wirkt sein Text sehr anschaulich und plastisch. Er verwendet oft Fachbegriffe, um seine Fachkompetenz zu unterstreichen („Super-Gau“, Z.3; „Globalität“, Z.4; „Hedge-Fonds“, Z.6, „Handel in Derivaten“, „developing markets“, Z.7 usw.). Zudem formuliert der Autor sehr bestimmt und pointiert („müssen“, Z.,32; „muss“, Z.27; „Nur eines ist sicher“, Z.32, „eines steht fest“, Z.48) und erweckt den Eindruck, dass es zu seiner Position keine qualifizierte Alternative gibt. Durch die Verwendung der Wir-Form (Z.5, 13, 34, 39, 47) bezieht er den Leser stärker mit ein und trifft zugleich eine allgemeingültigere, umfassendere Aussage.

3. Kritische Stellungnahme

Zu 1: Zu Recht beklagt Geyer die übertriebene, Furcht einflößende Sprache der Medien. Jedoch verwendet er selbst sehr bildmächtige Formulierungen. Angesichts der momentanen Weltwirtschaftskrise und der Billionenverluste von Banken sind Begriffe wie Super-Gau u.ä. durchaus angebracht.

Zu 2: Die Globalisierungsanhänger verweisen zu Recht auf die positiven deutsche Erfolge, jedoch sind sie z.T. durch die unverantwortlichen Spekulationen von angeblich seriösen Banken, Industrieunternehmen, ja selbst deutschen Kommunen zunichte gemacht worden. „Hedge-Fonds“ und Derivate sind wohl mitverantwortlich für dieses Desaster und haben deshalb weltweit zu Recht einen schlechten Ruf.

Zu 3: Dies ist wohl grundsätzlich richtig, allerdings gibt es mittlerweile auch viele gegenläufige Entwicklungen (Entflechtung von Globalisierungsprozessen). Sowohl der religiöse Fanatismus als auch der Nationalismus sind weltweit auf dem Vormarsch. Internationale Zusammenarbeit und globales Handeln stößt nach wie vor auf große Widerstände.

Zu 4: Hier hat Geyer sicher Recht. Zugleich ist jedoch die kulturelle Entwurzelung von MigrantInnen und deren finanzielle Ausbeutung durch Arbeitgeber weltweit ein ungelöstes Problem.

Zu 5: Hier hat der Historiker Geyer ebenfalls Recht. Vielleicht hätte er aber noch darauf hinweisen sollen, dass diese häufig ungebremsten Globalisierungsschübe gerade die Entwicklungsländer völlig überfordert haben, da sie deren katastrophale soziale und ökologische Auswirkungen oft bis heute nur unzureichend in den Griff bekommen.

Zu 6: Auch hier ist die historische Analyse von Geyer richtig. Der drohende soziale und wirtschaftliche Abstieg gerade der kleinen Leute ist durchaus Demokratie gefährdend, wie das Ende der Weimarer Republik, aber auch der Anstieg der LINKEN und der NPD in Ostdeutschland zeigt.

Zu 7: Zu Recht weist er auf die Abwanderungstendenzen auch von Industriebetrieben mit geringem Lohnanteil hin. Diese sind jedoch in letzter Zeit durchaus rückläufig, da bei der Standortwahl z.B. im Ausland neben Lohnkosten auch andere Faktoren wie wirtschaftliche und politische Stabilität, gute Infrastruktur, niedrige Energiekosten und Transportwege, attraktive Absatzmärkte usw. von Bedeutung sind, wobei der Standort Deutschland hierbei durchaus mit vielen ausländischen Standorten mithalten kann.

Zu 8: Erfreulich ist, dass Geyer die Globalisierung ausgewogen beurteilt. Natürlich kann nur ein reformiertes Deutschland der Globalisierungsfalle entgehen. Fraglich bleibt meines Erachtens, ob der jetzige Wohlstand überhaupt zu erhalten oder gar erhaltenswert ist. 9 Mrd. Menschen in ca. 40 Jahren können nicht angesichts der begrenzten Ressourcen auf den gleichen Lebensstandard wie heute hoffen.

Zu 9: Der Blick in die Vergangenheit ist sicher hilfreich, besonders wegen der katastrophalen Folgen der 1. Globalisierungsverweigerung. Daraus lässt sich nur die Konsequenz ziehen, dass die BRD sich auf allen Ebenen viel weltoffener präsentieren muss (auch in der Ausländerpolitik) und z.B. dringend wachstumshemmende föderale Kleinstaaterei und Regelungswut überwinden muss.

Zu 10: Den typisch deutschen Zwiespalt von Engstirnigkeit und Weltoffenheit und das Klagen auf sehr hohem Niveau gibt es sicher noch. Die Politik fast aller Parteien ist aber eindeutig global und EU-orientiert, so dass wir international hoch geachtet sind und zu den beliebtesten Nationen der Erde zählen.

Zu 11: Richtig ist, dass wir uns selbstbewusst zu unserem Zwiespalt und unserer Vergangenheit bekennen sollten. Natürlich wird die Berliner Republik sich anders entwickeln, als von den Architekten der deutschen Einheit 1990 gedacht. Unsere Zurückhaltung bei internationalen Kriegseinsätzen à la Irak und Afghanistan sollten wir jedoch beigehalten. Unser internationaler Ruf beruht eben auf Verlässlichkeit und einer gewisse Eigenständigkeit gegenüber den Supermächten sowie Aufgeschlossenheit gegenüber den verschiedenen Kulturen.

Fazit:

Geyer hat als Historiker in vielem Recht und zentrale Aspekte der 2 Globalisierungsschübe Deutschlands einschließlich des typisch deutschen Zwiespalts zutreffend benannt. Insgesamt ist sein Blick auf den Globalisierungsprozess etwas zu optimistisch gefärbt. Die eindeutig negativen Seiten der oft unbewältigten Globalisierung kommen bei ihm meines Erachtens zu kurz. Ferner übersieht er, dass die rapide wachsende Weltbevölkerung nur bei einer notwendigen Angleichung des globalen Lebensstandards menschenwürdig überleben kann.


18. Ulli Kulke:

Warum die Globalisierung den armen Ländern nutzt (2012)

Analyse des Sachtextes und Stellungnahme zu Z.18-23  

Schüler/-in

1. benennt äußere Publikationsdaten.

Der Kommentar von Ulli Kulke „Warum die Globalisierung den armen Ländern nutzt“ (Welt online vom 08.12. 2012) befasst sich kritisch mit den vielfältigen Auswirkungen der Globalisierung auf die 3. Welt. Ohne die Globalisierung wäre dort alles noch viel schlimmer. Europa habe im 19. Jh. vieles davon selbst erlebt, aber erfolgreich überwunden. Der Text ist ein Kommentar, da Kulke in einer Tageszeitung schreibt und sehr engagiert Stellung zum Thema nimmt, um zur Meinungsbildung des Lesers beizutragen.

2. Thematik des Textes in Bezug zum aktuellen öffentlichen Diskurs, z.B.:

Die Frage, ob die Globalisierung den Ländern der 3. Welt schadet oder langfristig mehr nützt, ist auch heute noch aktueller denn je. Während Zwangsindustrialisierung heute eher in kommunistischen Staaten aktuell ist, reißen die Berichte aus der 3. Welt über katastrophale Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Kinderarbeit nicht ab. Mit allen möglichen Tricks versuchen gerade Textilfirmen zu kaschieren, dass sie in Wahrheit von diesen Praktiken profitieren. Auch der Verbraucher müsste wissen, dass Billigprodukte jeder Art nur unter z.T. menschunwürdigen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen hergestellt werden können. Megacitys mit z.T. über 20 Mio. Einwohnern und riesigen Slums nehmen weltweit zu. Fast 1/3 der Menschheit ist unzureichend ernährt und hat nicht genügend Zugang zu sauberem Trinkwasser, ausreichender Bildung und medizinischer Versorgung. Hinzu kommen immer mehr regionale bzw. länderübergreifende Krisenherde, die die Lage der dortigen Bevölkerung dramatisch verschlechtern.

3. Benennung der Sinnabschnitte und gedanklicher Aufbau des Textes, z.B.:

1. Bericht über Brand in Textilfabrik in Bangladesch Anlass für viele zu grundsätzlicher G.-Kritik, ATTAC reagiere nicht, obwohl sie früher Großdemos gegen G. organisiert hätten. Westliche Textilfirmen versuchten mit Werbekampagnen auf Inlandsproduktion zu verweisen, um Verantwortlichkeit für solche Arbeitsbedingungen in 3. Welt zu vermeiden. (Z.1-12)

2. Die z.T. katastrophalen Arbeits- u. Lebensbedingungen in der 3. Welt sei zwar Folge der G., aber ohne G. wäre es nicht besser, da der Westen Vieles davon während der Industrialisierung selbst erlebt und überwunden habe. (Z.13-23)

3. Der Westen habe Lebenserwartung in 3. Welt erhöht und Hungersnöte durch Agrarforschung verhindert. Auch in Vorstadtslums gebe es Arbeit, Schulbildung und Wohlstand. Außenhandel und Überseehäfen förderten Wohlstand und BIP. (Z.24-35)

4. Fazit: UN-Milleniumsziele können erreicht werden. Umwelt- und gesundheitsgefährdende Industrien nur bei G.-Verweigerern. (Z.36-42)

4. Darstellung der Kernaussagen und Untersuchung der Argumentationsstruktur, z.B.:

Seine Hauptthese (Ohne Globalisierung wäre in der 3. Welt alles noch viel schlimmer, da Europa im 19. Jh. vieles davon selbst erlebt, aber erfolgreich überwunden habe.) stützt er mit folgenden Argumenten:

1. Einleitend berichtet Kulke über einen Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch, bei dem 110 Näherinnen starben, was viele lokalen Fabrikbesitzern, „blinden Aufsichtsbehörden“ (Z.3) und profitgierigen westlichen Importeuren anlasteten. (Z.1-4) FA, MA, NA     

2. Er unterstellt jedoch, dass sie in Wahrheit die Globalisierung kritisierten, da angeblich die schlechten Arbeitsbedingungen eine Folge der Globalisierung (G.) sei, was früher ATTAC zu großen Protestdemos veranlasst habe. (Z.5-8) PA, EA, aA

3. Fast mitleidig behauptet er, dass es um ATTAC still geworden sei, trotz anhaltender Vorbehalte gegen die G. Textilfirmen wie Trigema stünden jetzt besser da und versuchten, durch eine Werbekampagne (Schimpanse als „Pressesprecher“) auf die angebliche Produktion nur in Deutschland hinzuweisen, was dem deutsche Arbeitsmarkt zugutekomme. (Z.9-12) MA, PA, aA

4. „Zerstörung dörflicher Strukturen, Zwangsindustrialisierung“ (Z.13), Ausbeutung und Kinderarbeit sei Folge westlicher G. der 3. Welt, mit dramatischen Umbrüche/Modernisierungen, wobei es ohne G. dort nicht besser gegangen sei. (Z.13-17) MA, PA, aA

5. Beschwichtigend sagt er, Europa habe vielmehr vieles während der industriellen Revolution selbst erlebt und überwunden: Produktivitätssteigerung im Agrarbereich, Bevölkerungswachstum, Landflucht, soziales Elend und Demokratisierung. (Z.18-23) PA, aA, EA

6. Der Westen habe durch Senkung der Kindersterblichkeit Lebenserwartung und Bevölkerungswachstum erhöht, wobei dank Agrarforschung angeblich daraus keine dauerhaften Hungersnöte entstanden seien. (Z.24-26) FA, aA, EA

7. K. räumt jedoch ein, dass viele auf dem romantisch verklärten Lande perspektivlos seien und in die Stadt zögen, jedoch mit Aussicht auf Schulbildung, Arbeit und Wohlstand auch in den Vorstadtslums, was für uns unvorstellbar sei. (Z.27-30) FA, aA, EA

8. Zwei bekannte asiatische Ökonomen wiesen seit langem darauf hin, dass florierender Außenhandel die Basis für sozialen Aufstieg und Wohlstand seien, was Vergleiche zwischen Ostasien und z.B. Afrika sowie chinesischer Küste und Hinterland zeigten. (Z.31-35) AA, aA, PA

Fazit:

UN-Milleniumsziele würden besonders in „asiatischen Exportwunderländern“ (Z.38) erreicht. Umwelt- und gesundheitsgefährdende Industrien gebe es besonders bei G.-Verweigerern. Westimporteure müssten gegen fehlende Arbeitssicherheit vorgehen. (Z.36-42) MA, aA      

5. Beschreibung sprachlicher Gestaltungsmittel und deren Wirkungen, z.B.:

K. verstärkt seine Argumente kaum durch Fakten oder statistische Angaben (Z.37-39), aber durch viele Aufzählungen (Z.14, 17, 21f., 25f., 29, 30, 32f., 37f.). Durch (meist zufällige) Alliterationen (Z.1, 2f., 3f., 8f., 15, 29, 31), Ellipsen (Z.7, 14, 18, 21ff., 34, 37f., 39), sehr viele griffige, einprägsame sprachliche Bilder, die oft auch Personifikationen sind („Flammentod“, Z.1; „Auf die Anklagebank gehören“ ... Zeitgenossen“ ,Z.2; „blinden Aufsichtsbehörden“, Z.3; „unmenschlichen Weltmarkt“, Z.7; „ das westliche Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ... überstülpen“, Z.15f.; „hat der Westen ... in der 3. Welt eingegriffen“, Z.25) wirkt sein Text sehr anschaulich und plastisch. Er verwendet viele Fachbegriffe und Fremdwörter, um Fachkompetenz zu unterstreichen (Z.5, 7, 10, 14, 17, 20f., 24, 31, 32, 37).

Zudem formuliert Kulke sehr bestimmt und pointiert („Auf die Anklagebank gehören“, Z.2; „Um Systemkritik“, Z.7; Zwangsindustrialisierung“, „Ausbeutung pur“, Z.14) und erweckt den Eindruck, dass es zu seiner Position keine qualifizierte Alternative gibt. Mit z.T. dramatisierenden Übertreibungen (Z.6-9; 19-24; 32-34) und Verallgemeinerungen (Z.14ff., 28ff. etc.) versucht er, die Wichtigkeit des Themas zu verdeutlichen. Der Satzbau ist komplex und in Hochsprache verfasst. Ein Satz erstreckt sich sogar über 6 Zeilen.

6. Herausarbeitung der Textintentionen, z.B.:

K. will deutlich machen, dass alle Probleme der 3. Welt von vielen, besonders ATTAC, völlig zu Unrecht den Folgen der G. angelastet werde, da es dort zwar Zerstörung dörflicher Strukturen, Zwangsindustrialisierung“ (Z.13), Ausbeutung und Kinderarbeit gebe, es aber ohne G. noch viel schlimmer sei. Er macht sich sogar lustig über ATTAC, die völlig bedeutungslos geworden sei. Zwar gebe es viele Umbrüche in der 3. Welt, aber Europa habe vieles davon während der Industrialisierung selbst erlebt und erfolgreich überwunden. Der Westen habe dort zur höheren Lebenserwartung beigetragen und Hungernöte vermieden. Staaten mit Außenhandel und Überseehäfen profitierten von der G., nur nicht die G.-Verweigerer. Die UN-Milleniumsziele seien erreichbar, besonders in den asiatischen „Exportwunderländern“. Westimporteure hätten dank G. die Chance und die Pflicht, gegen schlechte Arbeitsbedingungen vorzugehen.

7. Bewertung der Argumentationsstruktur, z. B.:

K. hat sicher Recht, dass er sich gegen die generelle Verteufelung der G. wendet. Natürlich hat Europa durchaus manches davon im 19. Jh. selbst durchgemacht. Aber in vielerlei Hinsicht sind beide Entwicklungen kaum miteinander vergleichbar. K. arbeitet sehr viel mit pauschalen, kaum überprüfbaren Urteilen und nur wenigen harten Fakten, die von den meisten Experten nicht geteilt werden. Die gesamten gigantischen Probleme in der 3. Welt und den Schwellenländern werden hier meines Erachtens bewusst und in hohem Maße verharmlost, da der Autor in einer sehr konservativen industriefreundlichen Tageszeitung schreibt. Wer behauptet, dass in den Megacitys (z.T. über 20 Mio. Einwohner) ausreichende Aussicht auf Wohlstand, Arbeit und Schulbildung bestehe, sollte am besten einmal dorthin reisen, damit er sich vom Gegenteil überzeugen kann. Auch der Glaube an die Erreichung der Milleniumsziele im nächsten Jahrzehnt ist m.E. eine Illusion. Wer von den asiatischen Exportwunderländern schwärmt, verkennt, dass z.B. in China ein unmenschliches Terrorregime herrscht.

8. Stellungnahme zu Z.18-23, z.B.:

 Kulkes Behauptung,  dass vieles, was heute in der 3. Welt geschehe, Europa selbst während der Industrialisierung im 18. und 19. Jh. selbst erlebt und überwunden habe, ist sicher richtig. Natürlich ist in Europa die Produktivität im Agrarbereich sowie Bevölkerung, ländliche Arbeitslosigkeit, Landflucht, Industrialisierung und Außenhandel, verbunden mit dem Ende des Feudalismus, gestiegen. Auch haben die großen sozialen Probleme und katastrophalen Arbeitsbedingungen zu Sozialstaat und besserem Arbeitsschutz geführt. Der ständig wachsende Wohlstand breiter Schichten hat dann die Demokratisierung entscheidend vorangebracht.  

Jedoch wurde Europa – im Unterschied zur 3. Welt – nie ausgebeutet. Weite Teile der 3. und 4. Welt leiden bis heute unter den schlimmen Folgen von Kolonialisierung und fortgesetzter Ausbeutung. Korruption, mafiose Strukturen, Misswirtschaft und ineffiziente Verwaltungen haben in Europa niemals ein solches Ausmaß angenommen. Wegen der wirtschaftlichen und politischen Übermacht der führenden Industrienationen (G8) und der aufstrebenden Schwellenländer können sich die Entwicklungsländer nur schwer gegen diese kapitalstarke Konkurrenz behaupten, die mit Einfuhrbeschränkungen etc. ihre Binnenmärkte gegen unerwünschte Importe abschotten.

Bis heute kämpfen die rohstoffreichen Entwicklungsländer um faire Preise für ihre Produkte. Hinzu kommt, dass viele Länder der 3. Welt völlig überschuldet sind und die Schuldentilgung die Exporterlöse übersteigt. Einige Länder wie Indien, Pakistan, Mexiko, Brasilien sind entweder zu groß oder bevölkerungsreich, um eine Demokratie wirklich herzustellen.

Dieser Kommentar aus der Tageszeitung „Die Welt“ wendet sich bewusst an einen akademisch gebildeten, aber konservativen, industriefreundlichen Adressatenkreis der seiner optimistischen Einschätzung der Globalisierung meist zustimmen wird.


19. Nadja Pantel:

Lebensmittel ohne Schweinefleisch – Hauptsache halal (2014)

Analyse des Sachtextes und Stellungnahme zu Z. 25-29 und 44-50 (AHR)

Schüler/-in

1. benenntäußere Publikationsdaten

Der Text von N. Pantel „Lebensmittel ohne Schweinefleisch – Hauptsache halal“ (SZ online vom 26.06. 2014) befasst sich kritisch mit wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Beibehaltung der Essgewohnheiten unserer 4,5 Mio. Muslime in Deutschland Obwohl viele Muslime bei uns nie in die Moschee gehen, versuchen sie, das Ramadan-Fasten beizubehalten. Der Text ist ein Kommentar, da sie in einer Tageszeitung schreibt und sehr engagiert Stellung zum Thema nimmt, um zur Meinungsbildung des Lesers beizutragen.

2. Thematik des Textes in Bezug zum aktuellen öffentlichen Diskurs, z.B.:

Die Frage der kulturellen Integration von Muslimen, aber auch Juden u.a. Kulturen in Deutschland ist aktueller denn je: Moscheebau z.B. in Köln-Ehrenfeld, Kopftuch in Schule und am Arbeitsplatz, Burka-Verbot, die Forderung nach Abgrenzung von Muslimen gegenüber IS, das ISIS-Verbot durch Innenminister, die Salafismus-Debatte, Scharia-Polizei in deutschen Städten, die ethischen Bewertung des Schächten von Tieren (TSG), die Beschneidung von Jungen im Islam und besonders von Säuglingen bei Juden (Körperverletzung – STGB), Feiertagsregelungen für Muslime, Grenzen der Ausübung der muslimischen Religion in Schule und am Arbeitsplatz: Immer geht es um die Frage, wieweit von Ausländern Integrationsleistungen erwartet werden können, ohne dass sie zentrale Aspekte ihrer eigenen Religion aufgeben.

3. Benennung der Sinnabschnitte und gedanklicher Aufbau des Textes, z.B.:

1. Einleitung: Haribo mache Muslime unfroh wegen Schweinegelatine. Halal zum Leidwesen deutscher Firmen nur in türkischen Supermärkten erhältlich (Z.1-9),  

2. Ursache: Für kaufkräftige türkische Konsumenten gehe es nicht um Pass, sondern um Gefühl und Essen trotz Islamferne. (Z.10-19)

3. Da deutsche Supermärkte keine Schweinefleisch-Kennzeichnung hätten, vertrauten Konsumenten lieber türkischen Händlern. Halal-Siegel sei keine Lösung, da halal auch eine positive Bedeutung wie bio und fair trade habe. (Z.20-29)

4. Folge: Realisierung schwierig, so dass halal meist nur „schweinefrei“ bedeute. Daher oft Etikettenschwindel zur Gewinnsteigerung. (Z.30-39)

5. Fazit: Genaue Kennzeichnung besser als Siegel. Halal-Trend Signal kultureller Eigenständigkeit. Muslime zeigten wie Biomarkt-Jünger widersprüchliches Verhalten, da sie das traditionelle Ramadan-Fasten einhielten, trotz weitgehender Islamferne im Alltag.

4. Darstellung der Kernaussagen und Untersuchung der Argumentationsstruktur, z.B.:

Ihre Hauptthese: Der Wunsch, halal zu essen, ist „weniger ein religiöses Phänomen“ (Z.47) als Zeichen kultureller Eigenständigkeit, weshalb auch mit der falschen Bezeichnung „halal“ – wie bei uns „Bio“ – viel Geld verdient wird, stützt sie mit folgenden Argumenten:

1. Einleitend stellt P. leicht ironisch fest, dass Haribo Kinder froh mache, nicht jedoch Muslime, wegen der Schweinegelatine. Daher gebe es den Inklusions-Bär: halal – hier nur in türkischen Supermärkten zu kaufen. (Z.1-4) FA, aA, NA  

2. Diese „Onkel-Mehmet-Läden“ seien inzwischen Großmärkte mit günstigen türkischen Produkten. Deutsche Lebensmittelhändler und -hersteller überlegten angestrengt, wie sie Kunden und Kaufkraft zu ihre Supermarktregal locken könnten. (Z. 5-9) FA, aA, EA

3. Jetzt zitiert sie Engin Ergün von der Agentur Ethno IQ, der deutschen Firmen den türkischen Konsumenten erkläre (17,6 Mrd. € Umsatz). Türkisch sei weniger ein Pass als ein Gefühl und habe viel mit Essen zu tun. (Z.10-12) AA, FA, aA, PA

4. Ergün habe Haribo geraten, auf Schwein zu verzichten. „Essen wie bei Oma“ (Z.14) sei religionsübergreifend und folge bestimmten religiösen Regeln. Deutsch-Türken der 3. und 4. Generation äßen lieber halal, trotz Alkohol und Islamferne. (Z.13-19) AA, EA, aA

5. Deutsche Supermärkte hätten bedauerlicherweise trotz allerlei Exotik-Ecken kein System, das Schweinereste in Produkten kennzeichne, die in Tortenguss, Joghurt, Seife etc. steckten. Daher bevorzugten Muslime laut Ergün türkische Händler. (Z.20-24) AA, EA, PA

6. Rhetorisch verneint sie, dass Halal-Siegel wie z.B. auf Gummibären eine Lösung sei, da halal nicht nur kein Schwein bzw. Alkohol bedeute, sondern gut und erlaubt (= keine Massentierhaltung, faire Löhne und Achtung vor der Schöpfung). (Z.25-29) aA, MA, NA

7. Für Hamza Wördemann vom Zentralrat der Muslime in Deutschland sei halal wie faire trade und Bio (1x Fleisch pro Woche + genaue Infos zur Essensherstellung). (Z.30-32) aA, NA, MA

8. Dies sei laut Wördemann schwer zu realisieren, so dass halal meist nur „schweinefrei“ bedeute. Immer mehr dieser Aufkleber seien oft Etikettenschwindel, um mehr Geld zu verdienen. Es sei straffrei, da es nur religiöse Gebote seien. (Z.33-39) EA, MA, NA, FA, AA

9. Wördemann sei daher für genaue Kennzeichnung statt Siegel, wofür es einen großen Markt gebe. (Z.40-43) AA, FA, PA

10. Fazit: Bio- seien laut Prof. Hirschfelder mit Halal-Käufern vergleichbar, da Menschen in Zeiten digitaler Globalisierung kulturelle Sicherheit wollten. Der Halal-Trend sei das Streben nach kultureller Eigenständigkeit. Viele Muslime, die nie die Moschee besuchten, würden dennoch das traditionelle Ramadan-Fasten einhalten. (Z.44-50) AA, FA, aA, EA      

5. Beschreibung sprachlicher Gestaltungsmittel und deren Wirkungen, z.B.:

P. verstärkt Argumente durch Fakten/statistische Angaben (Z.5,10), viele Zitate (16f.,23f.,37f.,41,43ff.,47f.), eine Frage (Z.25), Ironie (Z.1f.,9) und Aufzählungen (Z.7f.,20,22,26,28f.). Durch (meist zufällige) Alliterationen (Überschrift, Z.1f.,5,9,13,15f.,17,20,22,23f., 36,38,), viele Ellipsen (Z.2,3f.,12,28f.,50), sehr griffige, einprägsame sprachliche Bilder, die oft auch Personifikationen sind („Der Goldbär weist gerne ...“, Z.1; „Es (das Schwein) darf nicht nur in die Salami“, Z.22), ein Werbeslogan (Z.1) und ein Wortspiel („Fasten wie bei Oma“, Z.50) und Neologismen („Inklusions-Bär“, Z.3; „Exotik-Ecken“, Z.20; „Biomarkt-Jünger“, Z.48) wirkt ihr Text sehr anschaulich und plastisch. Sie verwendet viele Fachbegriffe und Fremdwörter, um Fachkompetenz zu unterstreichen („halal“, „Schweinegelatine“, Z.3; „Onkel-Mehmet-Läden“, Z.6; „haram“, Z.28,; „Fairtrade“, Z.31; „digitalen Globalisierung“, Z.44f.). Sie formuliert sehr pointiert und erweckt den Eindruck, dass es zu ihrer Position keine qualifizierte Alternative gibt, und versucht, mit Vergleichen (Z.5f.,14,44,48) die Wichtigkeit des Themas zu verdeutlichen. Der Satzbau ist komplex und in Hochsprache verfasst. Ein Satz geht sogar über 6 Zeilen.

6. Herausarbeitung der Textintentionen, z.B.:

P. will aufzeigen, dass die 3 Mio. deutsch-türkischen Muslime mit 17.6 Mrd. Jahresumsatz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. Da die meisten aus Tradition halal leben möchten, eröffnet dies für clevere, meist türkische Geschäftsleuten einen großen Markt, zumal dieser Begriff nicht gesetzlich geschützt und oft (wie Bio) nur Etikettenschwindel ist. Ein Halal-Siegel bringe nichts, sondern eher eine genaue Kennzeichnung der Inhaltsstoffe. Eigentlich bedeute halal viel mehr (keine Massentierhaltung, faire Löhne und Achtung vor der Schöpfung), aber der 3. Und 4. Generation gehe es weniger um Religion als um Wahrung kultureller Eigenständigkeit.

7. Bewertung der Argumentationsstruktur, z.B.:

P. stellt völlig zu Recht die Gruppe der deutsch-türkischen Muslime als wichtigen Wirtschaftsfaktor dar, in dem deutsche Supermärkte mit etwas Geschick durchaus Marktchancen haben könnten. Dabei weist sie darauf hin, dass mit dem Begriff halal wie bei anderen Kennzeichnungen wie Bio und Fairtrade Etikettenschwindel betrieben werde, so dass eine Überprüfbarkeit gegeben sein müsste.

Einfühlsam beschreibt sie, dass es bei der 3. Und 4. Generation in Wahrheit nicht um Religion, sondern um die Wahrung kultureller Eigenständigkeit gehe, wobei sie auf deren widersprüchliches Verhalten hinweist. Leider nimmt P. dazu gar nicht Stellung, sondern bleibt bei der Beschreibung dieses Phänomens stehen. Migranten könnten sich so in ihrer gesellschaftsfernen Sichtweise bestätigt sehen.

Die kritikfrei Akzeptanz z.B. des Schächtens ist jedoch meines Erachtens sehr problematisch (ähnlich wie die Beschneidung von männlichen Säuglingen bei Juden), da hier die Religionsfreiheit über andere GG-Artikel gestellt wird. Es ist sicherlich sehr erfreulich, wenn Migranten aus verschiedensten Kulturkreisen sich bei uns wohlfühlen. Jedoch muss der Staat auf der Einhaltung seiner Rechtsgrundsätze dringen. Aus dem Kommentar leider viel zu wenig hervor, welche Ansichten P. selbst vertritt oder welche Konsequenzen sie ziehen möchte.

8. Stellungnahme zu Z.25-29 u. 44-50, z.B.:

 P. hat Recht mit ihrer Feststellung, dass halal mehr bedeute als nur ohne Schweinefleisch und Alkohol, sondern auch ökologisch und fair hergestellt und gehandelt, mit Respekt vor der Schöpfung. Ob dies in allen Teilen der Türkei und in türkischen Schlachthöfen in Deutschland aber wirklich so befolgt wird - abgesehen von der qualvollen Tötung von Tieren bei der Schächtung (langsames Ausbluten und Verenden bei der Schlachtung) -, wage ich zu bezweifeln. Es besteht der Verdacht, dass dieser Etikettenschwindel nur cleveren Geschäftsleuten dient. Ähnlich wie bei Bio (um das zu Recht schlechte Gewissen von Konsumenten zu beruhigen), was kein geschützter Begriff ist, dient halal eigentlich nur der Illusion kultureller Eigenständigkeit. Die 3. Und 4. Generation vieler Menschen mit Migrationshintergrund vermissen schmerzlich ihre kulturellen Wurzeln, und zwar besonders dann, wenn sie in unserer Gesellschaft zu wenig akzeptiert oder erst gar nicht richtig angekommen sind. Nur so ist die Faszination von IS und Salafismus für junge Migranten zu erklären. Statt nur an halal festzuhalten, sollten sie sich ernsthaft und kritisch mit ihrer Kultur auseinandersetzen. Eigentlich sollte diese Generation in ihrer ursprünglichen Heimat einen modernen Islam u. demokratische Grundsätze der BRD verbreiten, statt Vergangenheit und Gegenwart ihres Ursprungslandes unkritisch zu glorifizieren. Sie sollten sich daran erinnern, dass ihre Vorfahren nach Deutschland gegangen sind, weil in ihrer Heimat katastrophale wirtschaftliche, politische und humanitäre Zustände herrschten. Sicherlich sollten die Deutschen integrationsbereiter sein. Dies gilt aber auch für einen Teil der 4,5 Mio. Muslime. Dieser Kommentar aus der SZ wendet sich bewusst an einen akademisch gebildeten, aber fortschrittlichen und kulturell offenen Adressatenkreis, der ihrer wohlwollenden Einschätzung muslimischer Eigenständigkeit meist zustimmen wird.


20. Petra Pinzler:

Noch mehr ist nicht genug (2011)

Analyse des Kommentars und Erörterung Position der Autorin (AHR)

Schüler/-in

1.1. benennt äußere Publikationsdaten.

Der Text von P. Pinzler „Noch mehr ist nicht genug“ (Die Zeit vom 22.9. 2011) befasst sich kritisch mit der Überbewertung von Wirtschaftswachstum, da immer mehr uns unglücklicher und ärmer mache. Lebensqualität erfordere nicht Wachstum, sondern gleiche Chancen, Bildung und intakte Umwelt. Der Text ist ein Kommentar, da P. Pinzler in der Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt und sehr engagiert Stellung zum Thema nimmt, um zur Meinungsbildung des Lesers beizutragen.

1.2. Thematik des Textes in Bezug zum aktuellen öffentlichen Diskurs, z.B.:

Die Frage nach dem Sinn von Wirtschaftswachstum angesichts weltweiter ökologischer Katastrophen, der Zunahme internationaler Konflikte in Ländern der 2. und 3. Welt, der zunehmenden Verteilungsungerechtigkeit weltweit, aber auch bei uns als Folge des Wirtschaftswachstums der führenden Industrienationen, ist auch heute noch aktueller denn je. Immer wieder erfährt man aus den Medien z. B. von der Zunahme der Arbeitsbelastung am Arbeitsplatz, von den ökologischen Folgen der ungebremsten Klimakatastrophe, der Vereinsamung vieler Menschen gerade bei uns, der Zunahme psychischer Erkrankungen etc.

1.3. Benennung der Sinnabschnitte und gedanklicher Aufbau des Textes, z.B.:

1. Erläuterung des Popsicle-Index als Indikator der Lebensqualität und Übertragung auf Staaten, bei denen Chancen, Bildung, Gesundheit (Z.13), intakte Umwelt und eine gleichere Gesellschaft wichtig seien, aber von der Politik vernachlässigt würden. (Z.1-15)

2. Statt dieser weichen Themen gälten nur harte wie „Einkommensverteilung oder Wachstumsraten“ als Maßstab „für gutes Leben“ (Z.18ff.), obwohl die Deutschen in den letzten Jahrzehnten unglücklicher geworden seien. Der Boom habe – neben der Finanzkrise – zu mehr Stress im Job, Ungleichheit, zum Ruin von Umwelt, Staatsfinanzen und einer lebensunwerten Zukunft unserer Kinder geführt. (Z.16-29)

3. Forderung: Abkehr der Politiker von der Wachstumsdroge lossagen, da wir ökologisch auf Pump lebten und den Globus ruinierten. (Z.30-40)

4. Alternativen kämen weniger von der Politik, als von den Menschen selbst. Carsharing, Elektroautos, Bahn etc. könnten durch Gemeinschaftsgärten, Tauschringe, neue Verkehrskonzepte ergänzt werden. (Z.41-50)

1.4. Darstellung der Kernaussagen und Untersuchung der Argumentationsstruktur, z.B.:

Ihre Hauptthese, Wirtschaftswachstum macht unglücklicher und verringert Lebensqualität, stützt sie mit folgenden Argumenten:

1. Einleitend führt sie den von der Präsidentin der Investmentfirma Solari entwickelten Popsicle-Index an, der Lebensqualität an der Frage misst, ob in einer Gegend ein Kind gefahrlos Eis kaufen kann. (Z.1-5) EA, MA, PA, aA

2. Anschließend nennt sie die damit verbundenen Voraussetzungen (Vorhandensein eines Ladens, gefahrlos zu Fuß gehen zu können, sichere Gegend, bezahlbares Wohnen für Familien), um zu zeigen, dass dieser Index keine Spielerei, sondern durchaus ernst zu nehmen sei. (Z.6-9) EA, MA, PA, aA

3. Nun überträgt sie diese Unterteilung in „gute und schlechte Viertel“ (Z.10) auf glückliche und weniger glückliche Staaten, da Lebensqualität nur bedingt Wohlstand, dafür aber „Chancen, Bildung, Gesundheit“ (Z.13), intakte Umwelt und eine gleichere Gesellschaft erfordere. Gerade Letzteres sei für das individuelle Glück wichtig, werde aber von der Politik ihrer Meinung nach sträflich vernachlässigt. (Z.10-15) EA, MA, PA, aA

4. Sie beklagt, dass dies ein Tabu-Thema sei und allenfalls als weiches Thema gelte. Harte ‚Fakten’ wie „Einkommensverteilung oder Wachstumsraten“ ließen sich leichter vergleichen und gälten als Maßstab „für gutes Leben“ (Z.18ff.). Nun beruft sie sich auf viele Studien, die besagten, dass die Deutschen in den letzten Jahrzehnten unglücklicher geworden seien. (Z.16-22) EA, MA, PA, aA

5. Sie bezweifelt den Sinn des Booms, da dies zu mehr Stress im Job, zu mehr Ungleichheit, zur Zunahme prekärer Jobs sowie zum Ruin von Umwelt, Staatsfinanzen und einer lebenswerten Zukunft unserer Kinder führe. Wir selbst spürten diese Fehlentwicklungen, weshalb die Gerechtigkeitsfrage erneut große Bedeutung habe. Die Finanzkrise habe gezeigt, wie problematisch die Fixierung auf einen Börsen-Boom sei. (Z.23-29) EA, MA, PA, aA

6. Daraus folge kein Aufruf zur Askese, aber sie fordert, Politiker müssten sich von der Wachstumsdroge lossagen, da das „Immer mehr“ nicht „immer besser“ (Z.36f.) sei. Nominell würden wir zwar immer reicher, aber in Wahrheit immer ärmer, da wir ökologisch auf Pump lebten, das Klima ruinierten, Böden auslaugten, Meere überfischten und so den Globus ruinierten. (Z.30-40) EA, MA, PA, aA

7. Abschließend fragt sie nach Alternativen, wobei Parteien und Bundestag über zaghafte Ansätze nicht hinausgekommen seien. Viel Erfolg versprechender seien die praktischen Beispiele im echten Leben wie Carsharing, Elektroautos und Bahn etc. Diese Ansätze könnten mit Gemeinschaftsgärten, Tauschringen und neuen Verkehrskonzepten fortgeführt werden. Dies sei zwar noch sehr wenig, aber alles Neue habe im Kleinen begonnen. (Z.41-50) EA, MA, PA, aA  

2.1. Relevanz der Position der Verfasserin für öffentlichen Diskurs, z.B.:

Frau P. spricht zentrale Aspekte an wie Abkehr vom Wachstumsfetischismus, mehr lokale Gemeinschaftsinitiativen, Bewahrung unserer bedrohten Umwelt, Unzufriedenheit im Job etc. Allerdings müsste dies alles von der Politik noch viel entschiedener unterstützt werden.

2.2. Untersuchung der Stichhaltigkeit der Argumentation der Autorin, z.B.:

Sie hat Recht mit ihrer Behauptung, dass Wachstum nicht alles ist. Alle weichen Faktoren, die sie zu Recht nennt, haben aber meist ihren Preis, der wiederum nur über Wirtschaftswachstum zu finanzieren ist. Auch Umweltschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Jede/r wünscht sich einen stressfreieren Job, jedoch würde bei starker Senkung der Arbeitsbelastung für den Einzelnen dieser Arbeitsplatz dann automatisch teurer werden, so dass sich die Kosten für das Produkt oder die Dienstleistung dieses Unternehmens erhöhten, was meist der internationale Konkurrenzdruck nicht zulässt.

Alle möchten in einer Gegend mit hohem Popsicle-Index wohnen. Natürlich ist es sehr sinnvoll, solche Viertel zu schaffen oder diese entsprechend umzugestalten. Eine Umgestaltung ist aber sehr kostenträchtig, so dass ein geringeres Wachstum weniger geeignet ist, solche großen Ziele auch zu verwirklichen. Der Klimaschutz ist sicher ein ganz vordringliches weiches und hartes Ziel, da die negativen Folgen sehr hohe Kosten verursachen und jetzt schon das Wirtschaftswachstum negativ beeinflussen. Die Finanzkrise war sicher ein Debakel, jedoch sind nur durch die folgenden Wachstumsraten die katastrophalen Folgen für die meisten Länder überwunden worden. Weniger Wachstum heißt auch meist weniger Jobs.

2.3. Auseinandersetzung mit Position der Autorin, z.B.:

Sie stellt zu Recht fest, dass Wachstumsraten allein uns nicht glücklich machen. Auf der anderen Seiten hat die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte durchaus unseren Wohlstand auf breiter Ebene vermehrt und die Arbeitslosigkeit stark vermindert. Zugleich ist jedoch bei uns die Kluft zwischen Arm und Reich kontinuierlich gewachsen. Hier gibt es in der Tat eine große Gerechtigkeitslücke, die dringend verkleinert werden müsste. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, diese schließen zu können. Dies ist noch nicht einmal im Kommunismus gelungen.

Die Aussicht auf ein hohes Gehalt, sehr hohe Gewinne, persönlichen Erfolg etc. ist nach wie vor die entscheidende Antriebsfeder für erfolgreichen Einsatz am Arbeitsplatz und in der freien Wirtschaft. Letztlich kommen diese Erfolge dann auch – Steuerehrlichkeit vorausgesetzt – auch der Allgemeinheit wieder zugute. Wo diese wirtschaftlichen Anreize fehlen, führt dies meist zu geringeren Gewinnen, geringeren Investitionen und geringerer internationaler Konkurrenzfähigkeit.

Sie beklagt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nur ein wachsender Haushalt ein guter sei. Wenn man allerdings die vielen Haushalte z.B. der Gemeinden betrachtet, dann stellt man fest, dass 90% der dort aufgeführten Posten gar nicht veränderbar sind und zudem die Schuldentilgung kontinuierlich zunimmt, sodass oft eine Haushaltssanierung nur noch mit steigenden Einnahmen möglich ist.

Ob die von ihr genannten weichen Faktoren automatisch zu mehr Lebensglück bei den Deutschen führen, ist meines Erachtens keineswegs gesichert, da die Deutschen gerne klagen, und zwar meist auf höchstem Niveau. Die Pegida-Bewegung zeigt überdeutlich, dass auch eingebildete Probleme zu großen und lautstarken Protesten führen können. Viele Menschen sehen nicht die Realität in ihrer Umgebung, sondern beklagen aus Unwissenheit oder Borniertheit angebliche Fehlentwicklungen, die sie meist gar nicht direkt betreffen.

Es wäre schön, wenn eine Mehrheit der Deutschen denken würde wie Frau P. –  also mehr lokales Gemeinschaftsgefühl entwickeln, mehr Sorge für die Umwelt, Wert auf Bildung legen, soziales Engagement, Chancengleichheit, ernährungs- und umweltbewusstes Essen. Leider vertreten wohl nur kleinere Minderheiten diese hehren Ziele, da die von ihr skizzierten bescheidenen Ansätze sonst schon bei uns viel verbreiteter sein müssten. Leider ist die Mehrheit bei uns auf materiellen Wohlstand, individuellen sozialen Aufstieg etc. fixiert, sodass nicht nur in der Politik, sondern auch in der breiten Bevölkerungsmehrheit ein Umdenken erfolgen müsste. 6 Mio. lesen BILD, aber nur ca. 0,5 Mio. die Zeit, in der Frau P. schreibt.

2.4. Eigener, weiterführender Standpunkt, z.B.:

Sie spricht mit den Fragen nach Lebensglück, Chancengleichheit und ökologisch verträglicher Wirtschaftsweise zentrale Themen an, die uns alle fundamental betreffen. Lebensglück ist zunächst einmal sehr individuell und sicher von Kultur zu Kultur und auch von Jahrhundert zu Jahrhundert ganz unterschiedlich. Hier spielen Wertvorstellungen, die in einer Gesellschaft vorherrschen, eine ganz wichtige Rolle. Natürlich gibt es feste Größen wie eine harmonische Partnerschaft (z.B. auch mit Kindern) ein fester und hilfreicher Freundeskreis, Einbeziehung in das soziale Umfeld, besonders Nachbarschaft, gute Infrastruktur, kulturelle Angebote, Schulen, genügend qualifizierte Arbeitsplätze etc. Daneben spielt natürlich auch eine Rolle, unter welchen staatlichen Strukturen man lebt (Demokratie, Diktatur etc.). Wer sich unfrei oder bedroht fühlt, hat es schwerer, für sich ein individuelles Lebensglück dauerhaft zu erhalten. Ob die Politik es schaffen kann, z.B. das Lebensglück der Deutschen entscheidend positiv zu beeinflussen, wage ich allerdings zu bezweifeln, da die Politik nur einzelne Aspekte positiv verändern kann.

Chancengleichheit oder -gerechtigkeit ist in der BRD nach wir vor – besonders beim Schulbesuch – ein Problem, da die sozialen Unterschiede z.B. in Deutschland bezüglich des Besuchs von weiterführenden Schule immer noch sehr stark sind.

In skandinavischen Ländern sind die Unterschiede geringer, jedoch haben diese Länder meist auch nicht so einen hohen Migrationsanteil wie bei uns (ca. 20% der Bevölkerung) und andere Traditionen. Alle Maßnahmen von deutschen Regierungen haben bisher nur begrenzten Erfolg gehabt.

Solange bei uns ausschließlich der schulische und berufliche Werdegang zählt (anders als z.B. in den USA), werden Eltern auf eine möglichst gute Bildung Wert legen, wobei die höheren Schichten (besonders das Bildungsbürgertum) dabei einen großen Vorteil haben.

Nachhaltiges, umweltverträgliches Wirtschaftswachstum ist ein hochkomplexes Thema, das nur langfristig umzusetzen ist, obwohl die BRD durchaus das Knowhow und Kapital hierfür hat. Der internationale Konkurrenzdruck erschwert jedoch eine baldige konsequente Umsetzung. Daher sollte die Initiative von uns selbst ausgehen. Wir sind die Konsumenten, können vorwiegend lokale Produkte einkaufen, ernährungs- und umweltbewusst essen; möglichst wenig Auto fahren, sämtliche Energiespartipps konsequent befolgen, möglichst gesund leben (Der medizinische Bereich ist meist extrem energieaufwändig und umweltschädlich), nur wirklich notwendige Produkte kaufen). Eigentlich ist es ganz einfach. Man muss es nur tun.


21. Wolfgang Wiedlich:

Wer das Gras wachsen hört (2007)

Analyse des Sachtextes und Stellungnahme zu Z.32-34 (AHR)

Schüler/-in

1. benennt äußere Publikationsdaten

 Der Kommentar von W. Wiedlich „Wer das Gras wachsen hört“ (Bonner General-Anzeiger vom 13.8. 2007) befasst sich kritisch mit den vielfältigen globalen Folgen unserer umweltschädlichen Lebensweise angesichts stetig steigender Weltbevölkerung. Nur eine ganz sparsame Lebenseinstellung der Menschen könne helfen, werde aber wohl nicht verwirklicht. Der Text ist ein Kommentar, da Wiedlich in einer Tageszeitung schreibt und sehr engagiert Stellung zum Thema nimmt, um zur Meinungsbildung des Lesers beizutragen.

2. Thematik des Textes in Bezug zum aktuellen öffentlichen Diskurs, z.B.:

Die Themen globale Folgen unserer Lebensweise, Biosprit und Sparrevolution sind auch heute noch – 7 Jahre später – höchst aktuell. Jedoch ist gerade bei uns die Biosprit-Euphorie deutlich abgeklungen, besonders wegen mangelnder Nachfrage des Verbrauchers.

Die weltweiten Nahrungsmittelreserven gehen weiterhin zurück, wobei neben steigenden Nahrungsmittelpreisen vermehrt Lebensmittelskandale (z.B. Ekelfleisch) infolge minderwertiger Ware auftreten. Das Bevölkerungswachstum ist weiterhin ungebremst (Zuwachs ca. 0,5 Mrd. seit 2007), so dass sich die Situation in den nächsten Jahren noch verschärfen wird. Die Klimakatastrophe wird ebenso immer bedrohlicher (Schmelzen riesiger Eisberge), wobei die alternativen Energien nach wie vor eine zu geringe Rolle spielen. Auch eine Sparrevolution liegt in weiter Ferne, da die Masse Verbraucher mangels Aufklärung schon einen von den GRÜNEN vorgeschlagenen Veggie-Day pro Woche ablehnt und die Bundesregierung keine Aufklärung über die schädlichen Folgen des Fleischkonsums leistet.

3. Benennung der Sinnabschnitte und gedanklicher Aufbau des Textes, z.B.:

1. Fiktives Horrorszenario Wiedlichs in 136 Jahren über flächendeckenden Biosprit – zu Lasten des Getreideanbaus. (Z.1-5)

2. Klimawandel mit extremem Wetter führe zu steigenden Agrarpreisen, sinkenden Nahrungsmittelreserven, wobei sich „Energie- und Klimakrise, die Biosprit-Expansion“ (Z.11) und der Wirtschaftsaufschwung von China und Indien überschnitten. (Z.6-13)

3. Biosprit, Viehwirtschaft und Menschheit konkurrierten um Agrarprodukte, wobei Verdoppelung der Biospritproduktion bis 2012 zum Anstieg der Lebensmittelpreise um 50% führe. (Z.14-21)

4. Anstieg der Weltbevölkerung auf 9 Mrd. (2050) verstärke Einsatz von Pestiziden, Monokulturen und Kunstdünger bei steigendem Wassermangel, wobei Dünger und Viehzucht hauptverantwortlich für Treibhauseffekt seien. Auch Gentechnik könne nicht mehr helfen. (Z.22-31)

5. Fazit: Nur Sparrevolution könne helfen, habe aber die wenigste Akzeptanz. (Z.32-34)

4. Darstellung der Kernaussagen und Untersuchung der Argumentationsstruktur, z.B.:

Seine Hauptthese: Nur eine „Sparrevolution“ (Z.33) kann unsere Umwelt kurzfristig am effektivsten erhalten, stützt er mit folgenden Argumenten:

1. Einleitend entwirft Wiedlich ein fiktives Horrorszenario für die mittelbare Zukunft, in der die Menschen die Äcker zu Tankstellen erklären, um die globale Erwärmung durch die Verbrennung von Erdöl zu vermeiden. (Z.1-3) PA, MA, aA

2. Er schränkt zwar sofort ein, dass dies kaum vorstellbar sei, aber die Förderung und Verbreitung von Biosprit habe sehr bald zu steigenden Agrarpreisen geführt u. das Schwinden der Weltgetreidereserve offenbart. (Z.4-9) FA, PA, aA

3. Eindrücklich weist er auf die fatale Situation hin, es gebe die „Energie- und Klimakrise, die Biosprit-Expansion” (Z.11) und das rasante Wirtschaftswachstum Chinas und Indiens gleichzeitig. (Z.10-13) FA, PA, aA

4. W. warnt vor dem hohen Risiko leerer Getreidesilos, zumal der Klimawandel zu unsicheren Ernten führe. Biosprit, Viehwirtschaft und die vielen traditionellen „Pflanzenesser“ (Z.17) konkurrierten global miteinander um die Weltgetreideernte. (Z.14-17) FA, MA, PA

5. Er prognostiziert dramatisierend, dass weltweit bis 2012 eine „Verdoppelung der Biosprit-Produktion“ und um 50% höhere Lebens-mittelpreise zu erwarten seien, was eine leider fehlenden Weltregierung sorgfältig analysieren müsste. (Z.18-21) FA, PA, NA, MA

6. Während die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9 Mrd. wachse, leide die Landwirtschaft unter den Folgen von zu viel „Pestiziden, Monokulturen, Überweidungen, Düngertonnen während der Grünen Revolution“ und der Wassernot (Z.24f.). Die Gentechnik wirke so „wie ein überforderter Hoffnungsträger“ (Z.26f.). (Z.22-27) FA, PA, aA, MA

7. Maßlose Düngerei und Viehmast hätten den Treibhauseffekt mehr verstärkt als alle Autos (Z.28f.), womit er auf die ökologischen Defizite im Agrarbereich hinweist. Mehr ernten bei weniger Methan- und Lachgas-Ausstoß erfordere neue Landwirtschaft, was gut sei, aber lange dauere. (Z.28-31) FA, PA, aA, MA

8. Fazit: Am „kurzfristig wirkungsvollsten” für den Erhalt unserer Umwelt sei eine „Sparrevolution”, „weniger tierisches Eiweiß” und „fossile Energie”, was aber wohl am wenigsten akzeptiert werde. (Z.32-34) PA,FA,MA,EA (Hauptthese + Schlussfolgerung)

5. Beschreibung sprachlicher Gestaltungsmittel und deren Wirkungen, z.B.:

Wiedlich verstärkt seine Argumente u.a. durch viele Fakten bzw. statistische Angaben (Z.8, 10, 18-20, 22f.) und viele Aufzählungen (Z.5f., 11f., 16f., 18f., 24f., 28-30, 33f.) Durch Alliterationen (Z.16f., 22, 28, 31), Ellipsen (Z.4, 23f., 33f.), 2 Vergleiche (Z.26f.), sehr viele griffige, einprägsame, auch ungewöhnliche sprachliche Bilder, die oft auch Personifikationen sind („geläuterten Menschheit“,Z.1; „nervöse Märkte“, Z.5; „Klimawandel produziert“, Z.6; „Weichen für Biosprit gestellt“; „Agrarmärkte reagierten“, Z.7; „Weltgetreidereserve ... lautlos aufgebraucht“, Z.8f.; „wirtschaftliche Erwachen der Bevölkerungsriesen“; Z.12; „Das Gras wachsen hören“, Z.15; „ökologischen Bumerangs“, Z.23) und eine fiktive wörtliche Rede aus ferner Zukunft (Z.2f.) wirkt sein Text sehr anschaulich und plastisch.

Er verwendet viele Fachbegriffe u. Fremdwörter, um seine Fachkompetenz zu unterstreichen (Z.2, 7, 8, 11, 14-16, 18f., 24, 26, 30f.). Zudem formuliert der Autor sehr bestimmt und pointiert („muss“, Z.30, „dringlichste Aufgabe“, Z.20f.; „grenzenlose Düngerei“, Z.28) und erweckt den Eindruck, dass es zu seiner Position keine qualifizierte Alternative gibt. Mit z.T. dramatisierenden Übertreibungen (1.Absatz und „grenzenlose Düngerei“, Z.28) und Verallgemeinerungen (Z.23f.) versucht er, die Wichtigkeit des Themas zu verdeutlichen. Der Satzbau ist komplex und in Hochsprache verfasst. Einige Sätze erstrecken sich über 3 Zeilen.

6. Herausarbeitung der Textintentionen, z.B.:

Wiedlich warnt eindringlich vor dem forcierten Biosprit-Anbau, da er zu Nahrungsmittelknappheit und steigenden Agrarpreisen führe.

Besonders die Energie- und Klimakrise und die Biospritexpansion führten infolge des rasanten Wirtschaftsaufschwungs von China und Indien zu einer dramatischen Zuspitzung dieser globalen Krise. Verstärkt werde dieser Effekt durch die Viehwirtschaft, die ebenfalls in hohem Maße Getreideprodukte benötige. Während die Weltbevölkerung auf 9 Mrd. (2050) ansteige, kämpfe der überforderte Agrarbereich mit zu vielen „ökologischen Bumerangs“ (Z.23), wobei auch die Gentechnik hier nicht mehr helfen könne. Die derzeitige Landwirtschaft sei hauptverantwortlich für den Treibhauseffekt, so dass eine neue grüne Revolution notwendig sei, die aber zu lange dauere. Nur eine Sparrevolution könne noch den Erhalt unsere Lebensgrundlagen sichern. Resignierend stellt er jedoch fest, dass dies die geringste Akzeptanz habe.

7. Bewertung der Argumentationsstruktur , z.B.:

Der Autor weist – abgesehen von dem ironisch übertriebenen Horrorszenario zu Beginn – sehr klar auf die globalen Zusammenhänge und Probleme im Agrarbereich und besonders die steigenden Lebensmittelpreise hin. Er zählt zwar viele Fakten auf, jedoch werden diese nur sehr pauschal genannt, und es gibt bei ihm kaum Differenzierungen. Seine Biosprit-Prognosen für 2012 haben sich als falsch erwiesen, und auch die prognostizierte Weltbevölkerung für 2050 ist eine reine Annahme, wenn nicht gegengesteuert wird. So richtig es ist, eindringlich vor den katastrophalen Folgen unserer umweltschädlichen Lebensweise warnt, so wenig Alternativen zeigt er auf. Natürlich hat er völlig Recht mit der Feststellung, wie stark Dünger und Viehwirtschaft unsere Umwelt belasten, da die meisten Bürger immer noch Autos als die Hauptschuldigen am Treibhauseffekt betrachten. Auch sein Vorschlag der Sparrevolution ist alternativlos, aber mit der Feststellung, dass dies die geringste Akzeptanz habe, bleibt Wiedlich leider bei der bloßen, konsequenzlosen Klage über die Selbstzerstörung der Menschheit.

8. Stellungnahme zu Z.32-34, z.B.:

 Wiedlichs Fazit am Schluss, nur eine Sparrevolution könne helfen, ist meines Erachtens zwar völlig richtig, aber doch übertrieben resignativ. Nicht nur weniger fossile Brennstoffe, sondern ein viel geringerer Energieverbrauch insgesamt und viel weniger Eiweiß pro Kopf sollte angestrebt werden, da in Industriestaaten meist fast viermal so viel Eiweiß gegessen wird, wie für eine gesunde Ernährung notwendig ist. Gerade bei der Produktion von 1 kg Rindfleisch werden bis zu 16 kg Getreideeinheiten benötigt, so dass durch die Viehwirtschaft eine gigantische Verschwendung von Nahrungsmitteln (3/4 der Welternte von Soja und Mais wird für die Viehmast verwendet) stattfindet.

Zu Recht beklagt Wiedlich die mangelnde Akzeptanz einer solchen notwendigen Sparrevolution. Dies liegt meines Erachtens aber an einer völlig unzureichenden Aufklärung z.B. seitens der Bundesregierung und besonders des Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung.

Wahrscheinlich steht dieses Ministerium unter starkem Einfluss der Agrarlobby, die an einer Aufdeckung der extrem umweltschädlichen Agrarproduktion kein Interesse hat. Alle Ernährungsskandale (z.B. Ekelfleisch) sind nach kurzer Aufregung wieder vergessen, ohne dass sich im Agrarbereich irgendetwas Grundlegendes verändert.  

Der Staat geht mit z. T. drastischen Maßnahmen gegen das Rauchen vor. Würde er die gleiche Konsequenz und Aufklärungsintensität im Agrarbereich zeigen (z.B. Abbildungen der Abholzung von Regenwäldern für Rinderherden und Umweltabgabe auf Rindfleisch), würde sich das Verbraucherverhalten sicherlich ändern, spätestens beim notwendigen drastischen Anstieg der Lebensmittelpreise!

Dieser Kommentar aus dem Bonner General-Anzeiger wendet sich bewusst an einen akademisch gebildeten, aber eher konservativen Adressatenkreis der seinem resignativen Fazit mehrheitlich zustimmen wird.